„Sie würden staunen, wie gut das läuft“

04.04.2021, 14:25 Uhr

Interview nach 100 Tagen im Amt. Gangelts Bürgermeister Guido Willems berichtet über die erste Zeit im Rathaus.
 

Gangelt Die rot-grün gestreiften Vorhänge hat Guido Willems von seinem Vorgänger übernommen. Dank einer Wimpelkette, die ihm die Kinder der Grundschulen in Breberen und Birgden gebastelt haben, kommen sie jetzt wieder ganz neu zur Geltung. Am 8. Februar ist Willems 100 Tage im Amt. Vieles hat er schon in Angriff genommen, vieles liegt noch vor ihm. „Die Dekoration im Rathaus hat da erstmal keine Priorität“, erzählt Guido Willems im Gespräch mit unserer Redakteurin Simone Thelen.
 
Herr Willems, nach 100 Tagen dürfte der „Glanz des Neuen“ schon etwas verblasst sein. Wie fühlt es sich nun an, Bürgermeister in Gangelt zu sein?
 
Guido Willems: Es fühlt sich sehr gut an und merkwürdigerweise auch ganz selbstverständlich. Es ist, als wäre ich immer hier gewesen. Die Tätigkeit ist meiner früheren Arbeit als Büroleiter von Stephan Pusch sehr ähnlich: Politik, Haushalt, Beschwerdemanagement, Personalangelegenheiten – ich führe all meine Tätigkeitsfelder fort. Jetzt eben nur in Gangelt.
 
Nach der Wahl hatten Sie das Gefühl, dass sich alle auf Sie freuen würden. Wie groß ist die Freude heute? Müssen Sie nicht auch schon mal den Chef raushängen lassen?
 
Willems: Die Stimmung ist total positiv. Im Rathaus gibt es ein tolles Team, wir arbeiten sehr gut zusammen. Natürlich muss ich auch Chef sein. Aber ich behandele jeden mit Respekt und so, wie er es braucht. Manch einer wünscht sich Vorgaben, manch einer möchte kreativ sein und mitgestalten. Viele Mitarbeiter kannte ich schon vorher. Meine neue Rolle wird aber von allen akzeptiert, weil jeder weiß, dass ich auch das nötige Fachwissen mitbringe.
 
Und wie ist die Gemütslage in Gangelt allgemein? Das Wahlergebnis war ja ein großer Vertrauensvorschuss…
 
Willems: Das stimmt. Und bis jetzt habe ich noch keine negativen Rückmeldungen bekommen. Natürlich kann nicht immer jeder nur glücklich und zufrieden sein kann. Aber ich spreche offen mit den Menschen, Probleme werden diskutiert, und wenn mal etwas nicht geht, muss man das auch ehrlich sagen. Mit der Strategie fahre ich gut.
 
Politisch dürfte es mit 21 von 32 Sitzen für die CDU im Rat auch keinen großen Gegenwind geben…
 
Willems: Gegenwind würde ich nicht sagen, aber es gibt durchaus unterschiedliche Ansichten, auch innerhalb der eigenen Fraktion. Im Rat bilden wir eine bunte Truppe, da ist es normal, dass es je nach Alter und Perspektive auch unterschiedliche Meinungen gibt. Wir diskutieren über alles, erklären viel und finden immer eine gemeinsame Lösung. Meistens entspricht diese dann dem Verwaltungsvorschlag, manchmal finden wir einen neuen Weg.
 
Dann sind immer alle mit allem zufrieden?
 
Willems: Natürlich nicht. Immer ist mal jemand unzufrieden. Das gehört dazu. Wichtig ist aber, dass sich jeder ernst- und mitgenommen fühlt. Manchmal führen schon kleine Änderungen in einer Formulierung zum Erfolg. Und manchmal muss man einfach akzeptieren, wenn es keine Alternative gibt.
 
Sehr viele strittige Themen scheint es ja nicht zu geben. Höchstens vielleicht die Streichung des Sitzungsgeldes für sachkundige Bürger?
 
Willems: Das gibt es ja noch, wenn der jeweilige Bürger in der Fraktionssitzung auch fachlich gefordert ist. Ansonsten haben wir einfach eine sehr große Zahl an sachkundigen Bürgern – was natürlich toll ist. Ich glaube, dass die Entscheidung richtig war, schließlich leisten wir uns in Gangelt auch sehr viel. Schauen Sie sich die Ausstattung der Grundschulen an, die Sanierung der Gesamtschule, wie gut die Feuerwehr aufgestellt ist und wie viele Dorfgemeinschaftshäuser es gibt. Ich könnte noch viele Dinge aufzählen. Wichtig ist, dass wir zu schätzen wissen, was wir haben und dass jeder daran mitarbeitet. Vielleicht ist das der Grund, dass die Gemeinde Gangelt weniger in den Schlagzeilen ist als andere Kommunen. Verglichen mit anderen sind wir ein harmonisches Nest.
 
Ist das denn nicht auf Dauer langweilig?
 
Willems: Überhaupt nicht. In meinen ersten 100 Tagen als Bürgermeister ist viel passiert. Ich war vergangene Woche sogar für die Gemeinde am Bundesgerichtshof. Das erleben nur wenige Juristen in ihrer Laufbahn. Nachdem die Gemeinde am Landgericht und am Oberlandesgericht unterlegen war, haben wir vor dem BGH Recht bekommen. Das war eine super Erfahrung. Im Prinzip spiegelt sich in der Arbeit für die Gemeinde alles wieder, was ich erleben möchte.
 
Worum ging es denn in dem Prozess genau?
 
Willems: Eine Vertragsangelegenheit. Mehr darf ich im Moment nicht sagen. Sorry.
 
Sie haben sich vorgenommen, alles abzuarbeiten, was Ihnen im Wahlkampf zugetragen wurde. Wie weit sind Sie gekommen?
 
Willems: Ich habe schon sehr viel in Angriff genommen. Aber fertig werde ich wahrscheinlich niemals sein. Denn es kommen immer neue Dinge hinzu. Ich habe mir aber auch vorgenommen, die Menschen in allen Belangen zu unterstützen – auch wenn die Gemeinde da eigentlich gar nicht zuständig ist. Das beginnt beim Mobilfunkempfang, geht über Förderanträge und endet dabei, Bürgern oder Vereinen aus der einen oder anderen Misere zu helfen. Es gibt immer was zu tun.
 
Was wird denn zukünftig die größte Herausforderung für Sie sein?
 
Willems: Am wichtigsten wird es für die Gemeinde sein, weiterhin Fördergelder zu bekommen. Gangelt hat in der Vergangenheit schon viele Mittel bekommen. Das macht es nicht leichter, zukünftig etwas abzuzwacken. Das Haushaltsjahr 2020 haben wir noch ordentlich abgeschlossen. Soviel kann man jetzt schon sagen. Nun müssen wir ‚auf Sicht fahren‘, denn niemand weiß, wie sich Steuereinnahmen und die Förderungen von Land und Bund entwickeln werden. Als Gemeinde hängen wir hier am Tropf.
 
Auf einige Leistungen möchten Sie aber nicht verzichten, oder? Im Mai soll das Freibad wieder öffnen?
 
Willems: Zumindest möchte ich auf eine Öffnung vorbereitet sein, wenn es die Pandemie zulassen sollte. Im Bad musste ohnehin einiges geleistet werden. Und ich bin eigentlich immer ein Optimist. Diese Eigenschaft werde ich auch nicht verlieren.
 
Stichwort Corona: Wie ist die Lage in Gangelt, ein Jahr nach Langbroich?
 
Willems: Die Fallzahlen werden ja besser, zum Glück. Aber man spürt hier wie wahrscheinlich überall, dass die Kontaktverbote und das Homeoffice ihren Tribut zollen. Im Rathaus sind die meisten Mitarbeiter vor Ort in Einzelbüros. Ich selbst bin auch immer im Rathaus oder draußen unterwegs. Aber allgemein fehlen eben überall die zwischenmenschlichen Kontakte.
 
Wie sieht das bei den jüngsten Gangelterinnen und Gangeltern aus. Wie klappt das Homeschooling? Wie sehen Sie die Situation als Bürgermeister, wie als Vater?
 
Willems: Als Bürgermeister und als Vater: Das läuft super. Die Schulen sind hier bestens ausgestattet und vorbereitet. Der Unterricht läuft teilweise über Video. Sie würden staunen, wie gut das läuft. Ich glaube, hier ist Gangelt so gut aufgestellt wie kaum eine andere Kommune.
 
Auch dank Ihres Vorgängers?
 
Willems: Auch dank meines Vorgängers! Nach ein paar Wochen Pause telefonieren wir jetzt wieder häufig, und es sind immer gute Gespräche. Ich bin Bernhard Tholen für seine Tipps dankbar, ohne mich gedrängt zu fühlen.
 
Herr Willems: Beenden Sie bitte folgende Sätze:
 
Ich gehe morgens gerne ins Rathaus, weil …
 
… ich die Kollegen und die Arbeit liebe.
 
Am meisten Spaß macht mir …
 
… alles! Selbst die Beschwerden machen Freude, jedenfalls, wenn man gemeinsam eine Lösung findet.
 
Nicht so gerne mag ich …
 
… wenn jemand nörgelt, ohne dafür einen wirklichen Grund zu haben. Es ist wichtig, das Gute zu erkennen, das man hat. Ungerechtfertigte Unzufriedenheit ist mir ein Graus.
 
Wütend werde ich …
 
… innerlich eigentlich überhaupt nicht. Nach außen werde ich schon mal lauter, wenn jemand falsche Behauptungen aufstellt. Aber das ist immer nur kurz.
 
Für meine Mitarbeiter bin ich …
 
… hoffentlich ein guter Chef.
 
Für Gangelt wünsche ich mir …
 
… ganz viel Gutes. Dass wir den hohen Standard weiter ausbauen und gleichzeitig im Blick behalten, was wir schon erreicht haben.
 
Nach Corona werde ich …
 
… mal wieder ordentlich feiern – zum Beispiel meinen Einstand im Rathaus. Ich bin ein geselliger Mensch. Mir schwebt da etwas vor beispielsweise mit einem Foodtruck mit Burgern und Bier. Mal sehen, was kommt.