Kommentar zum Artikel der AN vom 28.12.2016

Jahresrückblick: Skandale gibt es in Gangelt nicht

28.02.2016, 16:45 Uhr | AN vom 28.12.2016

Skandale oder aufsehenerregende Reizthemen gibt es tief im Westen unserer Region nicht zu vermelden: Das Wasser fließt nach wie vor vom selben Lieferanten aus dem Hahn, urbane Luftschlösser wurden in Gangelt nicht angelegt, und auch mit Flugzeugausstellungen hat man hier nichts am Hut. Alles ruhig also am Rodebach?
 

Nicht ganz. Denn gerade da, wo der Bach einen Großteil seines Weges zieht, in der Drei-Dörfer-Gemeinschaft Stahe-Niederbusch-Hohenbusch (SNH), da krachte es 2016 hörbar im Gebälk. CDU-Mann Josef Rütten füllte den Posten des Ortsvorstehers nicht mehr aus, ein Neuer musste her, und für die Menschen in SNH war klar, dass SPD-Vertreter Rainer Mansel es werden sollte. Darauf wollte sich eigentlich auch die christdemokratische Mehrheitsfraktion im Rat der Gemeinde einlassen, wenn auch eher zähneknirschend. Scheinbar ging das aber für einige eherne Christdemokraten zu weit, Urgestein Heinrich „Hein“ Aretz ließ sich sogar mit den Worten „Was soll denn die Frau Merkel dazu sagen?“ zitieren. Auch an eine Rückgabe des Parteibuches soll Aretz gedacht haben, was er allerdings später bestritt. Doch wie auch immer: Die Einwohner der drei Dörfer setzten sich am Ende durch und bekamen ihren Willen.
 
Rainer Mansel darf nun aber noch nicht zufrieden in den Sonnenuntergang reiten, vielmehr steht als nächstes Projekt das zunächst auf Eis gelegte neue Dorfhaus an, dessen Planung vielleicht schon 2017 konkrete Formen annehmen könnte.
 
Wenig konkret las sich für den Nicht-Eingeweihten der Kampf um diverse Tempo-30-Zonen in der Gemeinde. Da wurde seitens der CDU beispielsweise in der Straße „Palz“ rigoros der Riegel nach dem Wunsch für gemäßigtes Tempo in der engen Straße vorgeschoben. So befürchtete CDU-Vertreter Karl-Heinz Milthaler, dass bald alle Straßen in der Gemeinde über Tempo 30 verfügen. Ob das ein Nachteil ist, wollte er nicht sagen. Klar bleibt aber, dass auch die Verkehrssituation in der Einhard-straße und Wolfsgasse so bleiben wird, wie sie ist. Hier gilt schon Tempo 30, was aber einige Zeitgenossen nicht vom per Messung belegten beherzteren Tritt aufs Gaspedal abhält. Weitere Einengungen, Baken, Blumenkübel und auch Temposchwellen kommen dennoch nicht. Dafür sollen die auf die Straße gezeichneten Parkbuchten als einzige Parkmöglichkeit entlang der Einhardstraße dienen und so das Tempo drosseln.
 
Vollgas gab es in Sachen Bevölkerungszuwachs in der Gemeinde: so weist Gangelt im Zeitraum 2010 bis 2014 mit 3,25 Prozent das größte relative Bevölkerungswachstum auf, noch vor Wassenberg und Geilenkirchen. Bei den sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätzen liegt die Gemeinde im gleichen Zeitraum mit einem Plus von 27,8 Prozent auf Rang zwei hinter Übach-Palenberg, das mit 28,8 Prozent die Spitze bildet, und deutlich vor Hückelhoven, wo 22,4 Prozent im gleichen Vier-Jahres-Zeitraum zu Buche schlugen. Gute Werte also, die sich in einem relativen Bauboom niederschlagen, aber auch negative Auswirkungen haben. So bedingt die steigende Steuerkraft der Gangelter gleichzeitig sinkende Schlüsselzuweisungen.
 
„Musterschüler“ Gangelt
 
Für die Finanzlage der gerne als „Musterschüler“ titulierten Gemeinde scheint das aber verkraftbar zu sein. Denn im vierten Jahr hintereinander durfte Bürgermeister Bernhard Tholen eine schwarze Null notieren. „Diese Folie werde ich irgendwann einmal aus meiner Präsentation herausholen“, meinte er scherzhaft bei einem Vortrag zur Schuldenlage Gangelts. Ohne Augenzwinkern freute er sich wie die weiteren Ratsmitglieder darüber, dass Kämmerer Gerd Dahlmanns durch seine bewusst konservative Kassenführung wieder ein Plus erwirtschaften konnte.
 
Und während die Finanzexperten anderer Kommunen bei Begriffen wie „liquide Mittel ohne Kreditaufnahme“ und „steigende Ausgleichsrücklage“ schon fast eine Internet-Suchmaschine bemühen müssen, gehören die ausgeglichenen Finanzen mit leichtem Plus in Gangelt schon seit Jahren zum guten Ton.
 
Zu jedem guten Ton gehören natürlich auch gesellschaftliche und kulturelle Angebote, die in Gangelt auch in diesem Jahr wieder Highlights produzierten. Der Dauerbrenner Selfkantbahn steht unter Volldampf und kann sich bald über Nachwuchs im Lokbestand freuen. Der Nikolausmarkt zählte zu den Höhepunkten des Jahres, das mehrtägige Ritterfest mit tausenden Gästen natürlich auch, 30 Jahre Aktionskreis Birgden wurden ebenfalls gebührend gefeiert, und wenn es bei der eintrittsfreien Musiknacht einen Abend lang unter freiem Himmel den fünf angetretenen Bands gelingt, mehr als 2000 Menschen für den guten Zweck zu begeistern, dann stimmt die Chemie im Ort.
 
„Egoshooter“, wie sie in manch bunt zusammengesetztem Rat von Nachbarkommunen zu finden sind, gibt es in Gangelt augenscheinlich nicht. Hier wurde der Haushalt nicht nur aktuell, sondern auch einstimmig verabschiedet. Das galt nicht unbedingt für vermeintlich kleinere Themen wie die Fällung von Bäumen oder die Gestaltung von Baugebieten. Da wurde schon einmal sehr ausführlich darüber diskutiert, welche Eigenschaften ein Balkon hat und was den gemeinen Balkon von seinem nahen Verwandten, dem Altan, trennt. Und in der malerisch gelegenen Straße „Am Feldchen“ in Schierwaldenrath wurde trotz der Aussicht, hier bald ein Mehrfamilienhaus mit noch mehr Gangelter Bürgern stehen zu haben, erst einmal lange um den Erhalt des Baumbestandes gerungen, ehe schließlich eine Einigung erzielt wurde.
 
Gemeinsam nach vorne gehen
 
Wie es gemeinsam nach vorne gehen kann, zeigte auch der Schulsektor in der Gemeinde. Zwar hat die Gesamtschule Gangelt-Selfkant schon vor einigen Jahren ihren Betrieb aufgenommen. Doch vor dem Hintergrund der nun de facto auslaufenden Realschule wird erst deutlich, dass sich hier längere Zeit nach dem Ende der Hauptschule und kurz vor dem endgültigen Aus der Realschule ein Paradigmenwechsel vollzogen hat. Mit der neuen Mensa, die in diesem Jahr stolz der Öffentlichkeit präsentiert wurde, ist dieser Wechsel auch nach außen hin gut sichtbar. Was sich mit der voraussichtlichen Eröffnung der lange gebauten B56n, die im Groben aus den Niederlanden direkt zur A46 nach Heinsberg führt, tun wird, ist noch unklar. Sicher ist aber, dass es eine Chance gibt, hier den Durchgangsverkehr zu mindern und sich auf die lokalen Verkehrswege zu konzentrieren.
 
Dass sich räumliche Nähe, der Einsatz für die Bürger und die natürliche Neugier von politisch aktiven Zeitgenossen manchmal auch zu einem Skandälchen formen können, war am Ende aber nur eine Randnotiz. Denn dass eine simple Stellungnahme vom Straßenverkehrsamt zur Sachlage an der Einhardstraße am Ende nur der Verwaltung und dem CDU-Fraktionsvorsitzenden, nicht aber den anderen Parteienvertretern bekannt war, ist angesichts der großen Diskussionen um Skandale, Vergaben und Luftschlösser andernorts nun wirklich kaum der Rede wert.
 
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