Kein neues Gutachten zur Abwasserreinigung

28.03.2019, 10:26 Uhr | AN vom 28.03.2019

Gangelt. Der Rat der Gemeinde Gangelt spricht sich gegen ein erneutes Gutachten zur Vereinbarung der Gemeinden Gangelt und Selfkant über die Abwasserreinigung aus. Dies hatt ein Gangelter Bürgder und ehemaliger Planer in einer Beschwerde an Rat gefordert. 
 

Die Vorstellung, eine Vereinbarung zur Abwasserreinigung nach dem „Geschmack“ zu beurteilen, ist angesichts der durch die Kanalisation der Gemeinden Gangelt und Selfkant zur Kläranlage im niederländischen Susteren zu transportierenden Fäkalien sicherlich etwas indelikat. Doch wer verfügt in der Abwasserwirtschaft schon über die nötige Sachkenntnis, um sich alleine auf seinen Verstand verlassen zu können? Der Rat der Gemeinde Gangelt hatte eine Beschwerde nach § 24 der Gemeindeordnung NRW von Assessor, Diplom-Ingenieur Heinz Hofmann, aus Schalbruch zu beurteilen. In dieser hatte sich Hofmann gegen die zwischen den Gemeinden Gangelt und Selfkant geschlossene Vereinbarung zur Abwasserreinigung vom 15. Januar 2018 gewandt. Hofmann war lange Jahre als Planer der Gemeinden Selfkant und Gangelt tätig gewesen, bis er wohl nach dem Amtsantritt von Selfkants Bürgermeister Herbert Corsten bei diesem in Ungnade gefallen war. Hofmann hatte zunächst beim Verwaltungsgericht Aachen gegen diese Vereinbarung geklagt. Hofmanns Einwände zielen darauf ab, dass die von ihm mit erarbeitete, frühere Vereinbarung zur Abwasserreinigung beider Gemeinden für den Gebührenzahler günstiger wäre. Er ist überzeugt, dass die Begründung, die die Gemeinde Selfkant für die Notwendigkeit einer neuen Vereinbarung anführe, nämlich die Hochwassergefahr in Saeffelen, nicht ursächlich auf Gangelter Abwasser zurückzuführen sei. Regenrückhaltebecken spielen eine Rolle und so manches, was ein Laie nur schwer begreifen kann. Der neue Planer, das Ingenieurbüro Achten und Jansen, so vermutet Hofmann, habe daher bei seiner Planung von falschen Ausgangsinformationen ausgehen müssen. Nun hatte das Verwaltungsgericht, statt zu urteilen, herausgestellt, die Gemeinde müsse sich nach § 24 der Gemeindeordnung NRW mit Hofmanns Anliegen befassen. Die Beschwerde war bereits im Haupt- und Finanzausschuss Gangelt mit großer Mehrheit gegen die zwei Stimmen von Unabhängigen Bürgern und Freien Wählern abgelehnt worden. Abschließend hatte nun der Gemeinderat Gangelt das Wort. Helga Heinen, bis Anfang der Woche noch Fraktionsvorsitzende der Freien Wähler, verwies in ihrem Wortbeitrag darauf, dass ihre Fraktion in einer vorangegangen Bauausschusssitzung den Vorschlag unterbreitet habe, ein gerichtlich anerkannter Gutachter möge die alte und neue Vereinbarung gegeneinander abwägen. Heinz Hofmann habe, so Heinen, angeboten, die Kosten zu übernehmen, wenn er falsch liege. Die Gemeinde solle nur dann das Gutachten zahlen, wenn Hofmann richtig liege, und die neue Vereinbarung für die Bürger von Nachteil wäre. Bürgermeister Bernhard Tholen meinte dazu, für ihn habe die ganze Sache einen „komischen Geschmack“. Hofmann habe seit seiner Trennung von Bürgermeister Corsten „alles im Selfkant angegriffen.“ Wenn Hofmann recht hätte, müssten ja alle anderen Planer falsch liegen. Das Büro Achten aus Aachen habe einen exzellenten Ruf, so Tholen. Man habe bereits viel Geld für Planungskosten ausgegeben. Man brauche nun nicht noch ein Gutachten. Die Gemeinde Selfkant habe nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt, glaubte Tholen. Karl-Heinz Milthaler, Fraktionsvorsitzender der CDU, meinte, die Geschichte laufe jetzt schon 20 Jahre, da sei alles nicht billiger geworden. Wie schon in der Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses stimmte die CDU, diesmal allerdings bei einer Enthaltung, für die Ablehnung der Beschwerde und somit für das Festhalten an der Vereinbarung vom Januar 2018. SPD- und FDP-Fraktion stimmten wie die CDU ab.
 
Zwei Gegenstimmen kamen von der Fraktion Unabhängige Bürger, eine Gegenstimme von Helga Heinen (Freie Wähler). Heinens ehemaliger Fraktionskollege Ludwig Dohmen stimmte mit der Ratsmehrheit. Er hatte zu Beginn der Sitzung seinen Austritt aus der Fraktion Freie Wähler öffentlich gemacht. Da die Fraktion Freie Wähler somit nur noch über ein Ratsmandat verfügen, verlieren sie ihren Fraktionsstatus. Helga Heinen hatte unterschiedliche Meinungen zur Entscheidung „Amsel Schule“ für den Austritt Dohmens angeführt. Dohmen entgegnete: „Mit der Amsel Schule hat es angefangen.“ Zwischenzeitlich hat Helga Heinen zunsammen mit ihrem Mann die Freien Wähler verlassen. Wie das Verwaltungsgericht Aachen auf Anfrage erklärte, hatte sich Heinz Hofmann auch gegen den Ratsbeschluss der Gemeinde Selfkant vom 12. Juli 2018, betreffend die Regenrückhaltung für die Ortsentwässerung Schalbruch, gewandt, und zwar mit einer Feststellungsklage, dass die Maßnahme und deren Ausführung durch ein einfacheres Konzept ersetzt werden kann. Auch hier hatte das Gericht herausgestellt, dass eine Anregung/Beschwerde nach § 24 der Gemeindeordnung NRW an den Gemeinderat zu richten sei. Das Verwaltungsgericht erläuterte, dass die von Heinz Hofmann erhobenen Feststellungsklagen unzulässig waren, weil er insoweit nicht klagebefugt sei. Er habe keine eigene Rechtsverletzung geltend gemacht, sondern solche sämtlicher Bürger der Gemeinden Gangelt und Selfkant (eine sogenannte Popularklage), was nach der Verwaltungsgerichtsordnung nicht zulässig sei. Gegenstand eines weiteren beim Verwaltungsgericht anhängigen Klageverfahrens sei die Festsetzung von Schmutzwassergebühren. In diesem Verfahren werde geltend gemacht, dass die Gebühr der Gemeinde Selfkant zu hoch sei. Ob sich die Kammer mit diesem Thema beschäftigen muss, lasse sich derzeit nicht sagen. Bei der Staatsanwaltschaft Aachen wurde mangels Tatnachweis eine Strafanzeige Hofmanns wegen Betrugs gegen einen Planer eingestellt, wie deren Pressestelle mitteilte. Heinz Hofmann erklärte, dieser Vorwurf habe sich inzwischen in eine andere Richtung konkretisiert.