Sehr geehrter Herr Bürgermeister Bernhard Tholen,
am 26.11.2007 ist die Richtlinie des europäischen Parlaments und des Rates über die Bewertung und das Management von Hochwasserrisiken (EG-HWRM-RL) in Kraft getreten und wurde mit der Novellierung des Wasserhaushaltsgesetzes (WHG) vom 31.07.2009 in bundesdeutsches Recht umgesetzt. Die EU-Hochwasserrisikomanagementrichtlinie sieht die Erstellung von Hochwassergefahrenkarten und Hochwasserrisikoarten bis Ende 2013 vor. Auf der Grundlage dieser Karten sollen sodann Hochwasserrisikomanagementpläne erarbeitet werden.
Daraus resultierend hat die Bezirksregierung Köln gemäß § 76 WHG und § 112 Landeswassergesetz NRW (LWG) den gesetzlichen Auftrag, die Gewässer und Gewässerabschnitte im Bezirk auf Hochwassergefahren zu untersuchen und - soweit solche Gefahren festgestellt werden - Überschwemmungsgebiete festzusetzen. Überschwemmungsgebiete können solche Flächen sein, die bei einem Hochwasserereignis, das statistisch einmal in 100 Jahre auftritt, voraussichtlich überschwemmt oder durchflossen werden oder die als Rückhalte- und Ablaufflächen zur Vermeidung eben solcher Gefahren für die Orte benötigt werden.
Vor diesem Hintergrund hat die Bezirksregierung Köln mit Wirkung vom 18.04.2013 und Bekanntgabe im Amtsblatt der Gemeinde Gangelt (Drei-Länder-Kurier) Nr. 5 vom 08.05.2013 gemäß § 76 WHG i. V. m. § 112 Abs 1 Sätze 1-3 und 5 LWG das Überschwemmungsgebiet beiderseits des Saeffeler Baches - von der Mündung in den Rodebach bis zum Gewässerkilometer 12+750 - im Bereich der Gemeinden Selfkant und Gangelt durch eine ordnungsbehördliche Verordnung festgesetzt, zunächst vorläufig gesichert und nach öffentlicher Auslegung und Ablauf der Einwendungsfrist inzwischen auch endgültig festgesetzt.
Mit den in den kartografischen Darstellungen ausgewiesenen Überschwemmungsflächen sind in den Orten Schierwaldenrath und Langbroich die Grundstücks- und Hauseigentümer an Brökerstraße, Quellstraße, Brauereistraße, Schulsteg, Im Heggen (bis zur Höhe der Kirche), Mittelstraße (zwischen Quellstraße und Im Erlenbruch) und Im Erlenbruch betroffen.
Ziel der Ausweisung solcher Überschwemmungsflächen soll sein, den bestehenden Zustand zu sichern und eine Verschärfung der Hochwassergefahren zu verhindern. Die erfolgte Festsetzung als Überschwemmungsgebiet verpflichtet zunächst die handelnden und verantwortlichen Behörden, Maßnahmen zum Schutz vor Hochwassergefahren zu ergreifen.
Ausweislich der bisher erteilten Bescheide der Bezirksregierung Köln sind zuständig für die Gewässerunterhaltung des Saeffeler Baches die Gemeinden Gangelt und Selfkant auf ihren jeweiligen Gemeindegebieten. Zuständige Aufsichtsbehörde ist die Untere Wasserbehörde des Kreises Heinsberg.
Unabhängig vor den Unterhaltungspflichten der Gemeinden führt die Festsetzung als Überschwemmungsgebiet aber auch zu erheblichen Nachteilen für die Haus- und Grundstückseigentümer in den festgesetzten Gebieten. Aus den Gründen des vorbeugenden Hochwasserschutzes gelten nämlich für die Überschwemmungsgebiete gemäß § 78 WHG die folgenden Schutzvorschriften, die untersagen / verbieten
1. die Ausweisung neuer Baugebiete
2. die Errichtung oder Erweiterung jeglicher baulicher Anlagen (Neu- oder Umbauten)
3. die Errichtung von Mauern, Wällen oder ähnlichen Anlagen quer zur Fließrichtung
4. das Aufbringen und Ablagern von wassergefährdenden Stoffen auf dem Boden
5. die nicht nur kurzfristige Ablagerung von Gegenständen, die den Wasserabfluss behindern können oder die fortgeschwemmt werden können
6. das Erhöhen oder Vertiefen der Erdoberfläche
7. das Anlegen von Baum- und Strauchpflanzungen, soweit diese den Zielen des vorsorgenden Hochwasserschutzes entgegenstehen
8. die Umwandlung von Grünland in Ackerland
9. die Umwandlung von Auwald in eine andere Nutzungsart
Ferner sind ausweislich der erteilten Bescheide und unter Hinweis auf § 113 Abs. 5 LWG Ölheizungsanlagen sowie Anlagen zur Wasserversorgung und zur Abwasserbeseitigung in den Überschwemmungsgebieten hochwassersicher zu errichten und zu betreiben. Vorhandene Ölheizungsanlagen sind bis zum 31.12.2021 und vorhandene Anlagen zur Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung sind bis zum 31.12.2016 entsprechend nachzurüsten.
Es ist naheliegend und nachvollziehbar, dass Grundstückseigentümer, deren Grundstücke vor der Festsetzung noch bebaubar waren und die jetzt Wertverluste in bis zu sechsstelliger Höhe befürchten müssen, diese eigentlich zu ihrem Schutz gedachten Maßnahmen nicht als solche empfinden können und dies eher als „kalte Enteignung" betrachten. In einem den Antragsverfassern bekannten Fall hat ein Käufer eine (ehemalige) zur Bebauung ausgewiesene Fläche wenige Monate vor der Festsetzung des Überschwemmungsgebietes zu Baulandpreisen erworben und sieht sich nun einem Bauverbot ausgesetzt. Die wirtschaftliche Dimension dieser Entwicklung ist für Normalverdiener verheerend und existenzgefährdend.
Bürgermeister und Gemeindeverwaltung haben bereits in den vergangenen Monaten mit den betroffenen Ortsvorstehern beraten, wie einerseits die Hochwassergefahren reduziert und andererseits die baurechtlichen Einschränkungen und Vermögensverluste der Haus- und Grundstückseigentümer zurückgedrängt werden können.
In einem ersten Schritt konnte mit dem Bürgermeister und den Führungskräften der Gemeindeverwaltung vereinbart werden, dass die Pflege des Bachlaufs wieder intensiviert werden muss, um zukünftig die nicht natürlichen Stauungen zu vermeiden und den Abfluss drohender Wassermassen zu erleichtern.
Ferner können die Haus- und Grundstückseigentümer zukünftig nur dann noch mit Baugenehmigungen rechnen, wenn sie eigene Ersatzrückstauflächen für das durch die beabsichtigte Baumaßnahmen verdrängte Wasser anbieten können (was den meisten Anwohnern nicht möglich sein wird) oder der Ort durch ein ausreichend dimensioniertes Hochwasserrückhaltebecken besser vor Überschwemmungen geschützt wird und das durch Baumaßnahmen verdrängte Wasser ebenfalls in dieses Rückhaltebecken fließen könnte. Die Gemeinde hat insoweit bereits das ausgewiesene Überschwemmungsgebiet auch mit den durch den Bau der B 56n veränderten Gegebenheiten neu berechnen lassen, um die erforderlichen Kapazitäten eines Hochwasserrückhaltebeckens sachgerecht ermitteln zu können. Die Neuberechnung ist auch deshalb erforderlich, weil die Gemeinde die Überschwemmungsfläche und die durch die Bezirksregierung ermittelten Hochwasserabflüsse anzweifelt.
Durch die bisherigen Maßnahmen und Befassungen mit der aktuellen Situation am Bachlauf wurden ferner folgende Probleme festgestellt:
1. Die erforderlichen Maßnahmen zur Gewässerunterhaltung am Saeffeler Bach sind in den vergangenen Jahren nicht mehr oder nicht mehr in ausreichendem Umfang durchgeführt worden. Dadurch bedingt war es teilweise zu erheblichen Verwachsungen gekommen, die die Wasserabflüsse nachhaltig gehemmt oder sogar Stauungen verursacht haben.
2. Auch bedingt durch die nicht mehr ausreichenden Unterhaltungsmaßnahmen am und im Bachlauf ist das Bachbett förmlich „nach oben gewachsen". Der Grund des Bachbettes befindet sich teilweise deutlich oberhalb von Zuläufen, durch die öffentliche Wege und Straßen entwässert werden. Die Zuläufe werden schon seit Jahren von Anwohnern regelmäßig wieder freigelegt, damit es nicht schon nach normalen Regenereignissen auf den zu entwässernden Straßen zu Überschwemmungen kommt (Beispiel: Gulli am Schulsteg neben der Bürgerhalle in Langbroich).
3. Einzelne Anwohner pflegen (schon aus Gewohnheit) den Bachlauf entlang ihrer eigenen Grundstücksgrenzen.
4. An anderen Stellen wird jedoch auch teilweise der Grün- und / oder Rasenschnitt oder auch Unrat im Bachlauf entsorgt.
5. Da nach dem gegenwärtigen Entwurf des Landesentwicklungsplans neue Neubaugebiete in den kleineren Orten wie Schierwaldenrath und Langbroich wohl kaum noch zu realisieren sein werden, haben die noch vorhandenen Baugrundstücke in den Ortslagen eine aufgewertete und enorme Bedeutung für die zukünftige Entwicklung dieser Orte. Durch das bestehende Bauverbot im Überschwemmungsgebiet entlang des Saeffeler Baches wird diese Entwicklung einschneidend gehemmt und könnte - bei unveränderter Fortschreibung - katastrophale Wirkungen entfalten.
Beschlussanregung:
Vor diesem Hintergrund soll der Rat der Gemeinde Gangelt den Bürgermeister und die Gemeindeverwaltung beauftragen:
1. Durch Satzung soll geregelt werden, wie die Grundstückseigentümer entlang des Saeffeler Baches sich im Sinne des Hochwasserschutzes zu verhalten haben bzw. welche hochwassergefährdenden Verhaltensweisen sie zu unterlassen haben und wie hochwassergefährdende Verstöße gegen diese Satzung sanktioniert werden.
2. Die Gemeinde sorgt für regelmäßigen Rückschnitt am und im Bachlauf sobald der Bewuchs dies erfordert, mindestens jedoch zweimal jährlich.
3. Die Gemeinde veranlasst zeitnah die Aushebung des Bachbettes auf seine ursprüngliche Tiefe und sodann eine regelmäßige Nachsorge nach „den handwerklichen Regeln", um ein erneutes „Hochwachsen" des Bachbettes zu vermeiden.
4. Die Gemeinde intensiviert ihre Bemühungen zur Frage des ob und wie eines Hochwasserrückhaltebeckens, um auch im Falle eines sogenannten 100jährigen Ereignisses die Wassermassen aus den Orten fern zu halten und die Bebaubarkeit der Grundstücke in den Ortslagen wieder herzustellen. Sie stimmt die ausreichende Dimensionierung mit der Bezirksregierung ab, kauft oder pachtet die erforderlichen Landflächen an und beteiligt bei Bauvorhaben die jeweiligen Bauwilligen gemäß den Vorgaben und Rahmenbedingungen der Kreisverwaltung an den Kosten.
5. Die Gemeinde berichtet dem Rat zum Stand der Umsetzung erstmals in der Dezembersitzung des Jahres 2014 und sodann halbjährlich. Ferner legt die Gemeinde dem Rat zur Dezembersitzung des Jahres 2014 einen Jahresarbeitsplan 2015 mit Terminvorgaben für die Unterhaltungsarbeiten am Saeffeler Bach vor.
Mit freundlichen Grüßen
Karl-Heinz Milthaler
Fraktionsvorsitzender